Auch in Finnland leiden die Landwirte unter der diesjährigen Dürre. Die dortige Regierung hat Soforthilfen von 30 Mio. € beschlossen. Doch Finnlands Bauern wollen lieber mehr Geld vom Markt und zetteln eine Diskussion mit dem Lebensmittelhandel an. Ein Gespräch mit Finnlands Bauernpräsident Juha Marttila.
top agrar: Wie hoch sind die Schäden auf Grund der diesjährigen Dürre in Finnland?
Marttila: Wir schätzen, dass die finnische Landwirtschaft auf Grund der Dürre Gesamtschäden von 400 Mio. € bei Getreide hat. Natürlich variiert das zwischen den Regionen und auch zwischen den Landwirten. Bei Getreide haben wir im Durchschnitt Ertragseinbußen von 25 bis 30 Prozent, sie gehen regional aber auch bis zu minus 60 Prozent.
Sind die verschiedenen Getreidearten unterschiedlich stark betroffen?
Marttila: Leider ist unser Hauptprodukt, der Hafer, besonders empfindlich getroffen, dort haben wir die schlimmsten Einbußen. Auch die anderen Sommergetreidearten sind schlecht ausgefallen dieses Jahr. Die Situation bei Wintergetreide war hingegen sogar ganz gut. Unser Problem ist vor allem, dass wir bereits im vergangenen Jahr hohe Verluste bei Getreide hatten, damals auf Grund von extremer Nässe. Sie hielt dann auch bis zur Herbstaussaat an. Deshalb war unsere Roggenfläche 2018 zum Beispiel sehr klein. Wir haben daher nun Probleme bei der Versorgung mit heimischen Roggen für die Roggenbrotproduktion.
Wird Finnland auf Grund der Dürre mehr Importbedarf an Getreide haben?
Marttila: Ja es wird einen höheren Importbedarf geben. Wir werden dieses Jahr Nettoimporteur bei Getreide sein, also mehr Getreideimporte als -exporte haben. Natürlich werden wir zunächst die Einlagerung nutzen. Für den Export heißt das aber weniger Export an Rohstoffen an Getreide. Aber wir werden keine Probleme haben beim Export von verarbeiteten Getreideprodukten mit höherer Wertschöpfung wie zum Beispiel Haferprodukte. Das wird auch die Zukunft sein. In Finnland sind die Produktionskosten so hoch, da ist es nicht ratsam, auf den Export von landwirtschaftlichen Rohstoffen zu setzen. Sondern wir wollen Agrarprodukte mit einer höheren Wertschöpfung exportieren insbesondere Getreideprodukte.
Finnlands Agrarminister hat Dürrehilfen für die Landwirte zugesagt, wie sollten diese aus Ihrer Sicht unter den Landwirten verteilt werden?
Marttila: Das Gesamtpaket an Dürrehilfen der finnischen Regierung beträgt 90 Mio. €. Ein Großteil davon soll nächstes Jahr verteilt werden. Rund 30 Mio. € sollen als Soforthilfe noch 2018 an die Landwirte fließen. Um die um ein vielfaches höheren Verluste der Landwirte auszugleichen, ist das wenig Geld. Die Größten Dürreverluste haben die Landwirte in Süd-West-Finnland, dort wird das meiste Geld hingehen. Es ist extrem schwer zu entscheiden, ob eher Tierhalter für ihre Futterverluste oder Getreidebauern für ihre Ertragsverluste entschädigt werden sollen. Wir wollen aber einen Kampf um Hilfen zwischen den Landwirten vermeiden. Wenn wir ehrlich sind, sind staatliche Hilfen auch nicht die beste Lösung. Das sagen viele Landwirte in Finnland. Wirkliche Lösungen kommen vom Markt.
Wie wollen Sie höhere Preise am Markt durchsetzen?
Marttila: Wir brauchen höhere Erzeugerpreise, das ist die einzige Lösung. Das ist der Kern, mit dem wir unsere Lebensmittelindustrie und unserem Lebensmittelhandel derzeit sehr stark konfrontieren. Wir brauchen höhere Lebensmittelpreise, die Konsumenten müssen zahlen. Wir brauchen weniger als einen Euro, etwa 25 bis 30 Cent pro Kopf und pro Tag von den Konsumenten. Wir verhandeln mit den Lebensmittelhändlern, wie ein größerer Anteil am Lebensmittelpreis direkt an die Erzeuger transferiert werden kann. Die Umfragen unter finnischen Konsumenten sagen auch, dass 90 Prozent von ihnen bereit sind mehr für Lebensmittel zu bezahlen, wenn dies den Landwirten direkt zu Gute kommt. Wir haben eine starke Unterstützung von unserer Bevölkerung. Es ist also möglich, die Lebensmittelpreise zu erhöhen und dies an die Landwirte weiter zu geben. Das wäre die richtige Lösung.
Welche Konsequenzen ziehen die finnischen Landwirte aus der diesjährigen Dürre hinsichtlich des Klimawandels, mit dem sie konfrontiert sind?
Marttila: Klimasmarte Landwirtschaft ist ein wichtiges Thema. Wir wissen, dass wir Landwirte im Kampf gegen den Klimawandel die Helden sein können. Die Wissenschaft lehrt uns, dass wir vieles besser machen können. Dafür brauchen wir mehr Investitionen, um uns an den Klimawandel anzupassen, denn wir können ihn nicht verhindern. Wir müssen lernen, mit starken Regenperioden und langanhaltenden Dürren umzugehen. Dafür müssen wir unser Wassermanagement umgestalten. Das ist auch eine große Aufgabe für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der EU. Sie muss sinnvolle Maßnahmen finden, um die Landwirte zu den Helden im Kampf gegen den Klimawandel zu machen.
Welche Maßnahmen könnten das sein?
Marttila: Wir wissen, dass das landwirtschaftliche Potenzial Kohlenstoff im Boden zu binden, lange noch nicht ausgeschöpft ist. Das muss besser gefördert werden. Das gehört zur klimasmarten Landwirtschaft dazu.
Sollte das in der Ersten oder Zweiten Säule der GAP gefördert werden?
Marttila: Es ist egal, ob die Klimamaßnahmen innerhalb der Ersten oder der Zweiten Säule der GAP gefördert werden. Für uns Finnen ist allerdings das Geld aus der Zweiten Säule besonders wichtig. Wir kofinanzieren die EU-Gelder aus der Zweite Säule mit viel nationalem Geld. Deshalb wollen wir auf keinen Fall die Zweite Säule so kürzen, wie es die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Wir sind wirklich sehr ärgerlich über die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Kürzungen der Zweiten Säule.
Das Gespräch führte top agrar Redakteurin Stefanie Awater-Esper in Helsinki
Zur Person: Juha Marttila ist der Präsident des finnischen Zentralverbands der landwirtschaftlichen Produzenten und Waldbesitzer (MTK). Er leitet in Nordfinnland einen Familienbetrieb mit 60 Kühen und Nachzucht, 106 Hektar landwirtschaftlicher Anbaufläche und 150 Hektar Wald. Marttila hat Landwirtschaft in Helsinki studiert und 1996 einen Doktor-Grad in Agrarökonomie zum Thema ungleicher Wettbewerb in der finnischen Lebensmittelkette erworben.
“Die Konsumenten müssen zahlen“
Topagrar.com – Stefanie Awater-Esper